Freitag, 12. Februar 2016

Das "Red Epoxy"-Problem

Roland JV-1000 Workstation
Ich liebe meine JV-1000 Workstation von Roland. Immer noch. Ja, das Gerät ist inzwischen schon ein viertel Jahrundert alt – Baujahr 1993 – aber es funktioniert immer noch prima!

Ein großes Problem trübt allerdings die Freude an dem Musikinstrument: Die Gewichte unter den Tasten der Klaviatur sind mit Kunstharz eingeklebt, und dieses Harz verflüssigt und löst sich seit einiger Zeit immer mehr.


Zunächst dachte ich, es wäre ein Hitzeproblem, da das Keyboard zeitweise hinter meinem Wohnzimmerfenster in direkter Sonneneinstrahlung stand. Vereinzelt lösten sich die Bleigewichte heraus und blockierten die Klaviatur.

"So ein Mist", dachte ich, und entfernte die losen Bleigewichte. "Blöd, aber was soll man machen..." Spielbar war das Instrument immerhin ja noch.
So weit so gut.

Es ergab sich, dass ich den JV-1000 abbauen und im Flightcase verpackt einige Monate lagern musste. Keine Zeit, kein Platz, vorübergehendes KreaTief.

Anfang Januar war das Tief vorübergezogen und ich holte die Workstation wieder aus der Versenkung. Voller Vorfreude nahm ich sie aus dem Koffer und schloss sie am Verstärker an.
Einschalten. Loslegen. Doch was war das?? Ganze Tastenreihen ließen sich nicht mehr herunterdrücken, waren miteinander verklebt. Andere Tasten waren noch beweglich, erzeugten aber keine Töne mehr!

Oh nein! Das Epoxidharz hatte sich aus fast allen Tasten gelöst und war kreuz und quer durch die Klaviatur geflossen, sogar herunter getropft auf Teile der Elektronik.

Das Epoxidharz klebt überall im Gehäuse unter der Klaviatur


Frustriert machte ich mich in Google auf die Suche. Und tatsächlich, ich bin nicht alleine mit dem Problem! Offenbar sind mehrere Baureihen von Roland betroffen: XP-80, JD-800, D70, JV-80...:

Auf einer englischsprachigen Webseite beschrieb jemand, wie er die Klaviatur ausbaute, die Tasten mit einer chemischen Lösung reinigte und anschließend alles wieder zusammenbaute.
Auweia! Aber scheinbar die einzige Möglichkeit...

Also machte ich mich auch ran, schraubte die Klaviatur heraus und machte eine Bestandsaufnahme des Schadens. Ob die Elektronik nun auch defekt war? Das konnte ich schnell ausschließen, da sich alle Funktionen über MIDI ansteuern ließen.
Es ging also "nur" um die Baugruppe der Klaviatur.

Die ausgebaute Klaviatur des Roland JV-1000 – eine komplette Baugruppe


Misson "Rettet den Roland" begann und ich zerlegte die Klaviatur in ihre Einzelteile. Das klappte soweit ganz gut, mit etwas Geschick und einem Kreuzschraubenzieher kann man alles auseinandernehmen.



Epoxid lässt sich nicht entfernen


Die Ernüchterung kam allerdings, als ich versuchte das Kunstharz zu entfernen. Leider ist die chemische Lösung des englischen Bastlers, ein "PowerCleaner" aus Japan, nirgends mehr zu finden.

Auf einer anderen Website fand ich den Tipp, das Kunstharz einzufrieren, es würde dann angeblich spröde und ließe sich leicht abkratzen. Nun ja, das mag auf glatten Flächen gut funktionieren, an den Plastiktasten blieb das Zeug haften wie Beton.

Wenn Kälte nicht hilft, dann vielleicht Wärme! Ok, Epoxid verflüssigt sich stärker wenn es erhitzt wird. Leider bleiben aber auch bei diesem Versuch noch Reste an den Tasten, alles ist immer noch klebrig und Mist.

Frust! Jetzt war das gute Stück auch noch demontiert und ich der Verzweiflung nahe.

Meine Nachfrage bei einem großen Instrumentehändler ergab, dass man die Klaviatur komplett austauschen könne. Kostenpunkt allerdings mehrere hundert Euro. Oje!



ROLAND Customer Service tauscht Klaviatur


Schließlich entschloss ich mich, direkt mit dem ROLAND Support Kontakt aufzunehmen. Lange blieb meine Anfrage unbeantwortet und ich wollte schon endgültig aufgeben, da kam plötzlich eine E-Mail vom Customer Support. Man hätte meinen Fall an die Zentrale in Japan gemeldet und würde die Klaviatur auf Kulanz austauschen. Ob ich denn damit einverstanden wäre.

Juhuuu! Das ist ja Wahnsinn! Kulanz! Nach so langer Zeit!

Gestern habe ich das Gerät sorgfältig verpackt, inklusive der defekten Klaviatur, und zu Roland nach Nauheim geschickt. Heute ist es dort angekommen - danke an die Trackingfunktion unserer Paketdienste. :)

Jetzt bin ich sehr gespannt wie es weiter geht und wann ich meinen "Schatzzzz" wieder wohlbehalten zurückbekomme. Ich werde berichten!



Wenn Du, lieber Leser, bei der Internetrecherche wegen genau dem selben Problem hier auf meinem Blog gelandet bist, dann ermutige ich Dich, auch den ROLAND Support anzuschreiben und dort nachzufragen. Man braucht etwas Geduld, aber die Sache ist es allemal Wert. Ein tolles Keyboard mit auch heute noch tollen Sounds und vor allem sehr schönen Naturinstrumenten und Streichern. Roland halt. :)


Nachtrag:


Bereits am 19.02.16 - eine Woche, nachdem ich das Gerät eingeschickt hatte - bin ich per E-Mail über die erfolgreiche Reparatur des JV-1000 informiert worden.
Kostenpunkt: 15 Euro Versand zu Roland (UPS), 86,87 Euro Reparaturaufwand und Rückversand (DHL). Summasummarum 101,87 Euro.

Am 22.02.16 ist das Instrument wohlbehalten wieder bei mir angekommen.

Schnelle, unkomplizierte Abwicklung innerhalb von nicht einmal 14 Tagen und günstige Konditionen. - Herzlichen Dank an den Roland Support!


Reparaturanleitung

Es sind inzwischen mehr als 2 Jahre vergangen, aber das Problem ist immer noch aktuell.
Hier ein Video aus Japan, in dem jemand einen alten, defekten JV-1000 tatsächlich komplett reinigt und repariert:
https://www.youtube.com/watch?v=-Rko9C2HA9s

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